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2021-07-22
Annabelle Theobald

Immer schön im Takt bleiben

CISPA-Neu-Faculty Dr. Christoph Lenzen forscht unter anderem daran, wie zusammenarbeitende Rechner ohne Leistungseinbußen synchron bleiben.

„Puzzles zu lösen, ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen“, sagt Christoph Lenzen. Der 39-Jährige ist seit Anfang Juli leitender Wissenschaftler am CISPA und entwickelt zurzeit mit seinem Team einen mathematischen Ansatz, um Schaltungen in Prozessoren so zu modellieren, dass Fehler sie nicht aus dem Takt bringen und damit Leistungseinbußen vermieden werden. Die EU fördert dieses Vorhaben seit 2017 und bis 2022 mit einem ERC Starting Grant in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro. Außerdem forscht der Mathematiker und theoretische Informatiker daran, Schaltkreise so zu designen, dass sie auf mögliche Spannungsabfälle flexibel reagieren können. Für dieses Projekt konnte Lenzen zusätzlich einen ERC Proof of Concept Grant in Höhe von 150.000 Euro einwerben. Diese Förderung wird zusätzlich zum Starting Grant vergeben und gibt Wissenschaftler:innen die Möglichkeit zu testen, ob sich ihre Forschungsergebnisse auch in ein vermarktbares Produkt übersetzen lassen.

Prozessoren haben in den vergangenen Jahrzehnten eine wahre Leistungsexplosion erfahren. Die verdanken sie vor allem der zunehmenden Miniaturisierung von Hardware-Komponenten. Mehr als eine Milliarde Transistoren können mittlerweile auf einem einzigen Prozessorchip verbaut werden. Diese schalten elektrische Ströme innerhalb des Prozessors ein und aus und ermöglichen damit letztendlich, dass die verschiedenen Rechenoperationen ausgeführt werden können. Mit steigender Zahl der verbauten Komponenten steigt allerdings auch die Anzahl und Vielfalt möglicher Fehler und Sicherheitsprobleme. Das ist im komplexen Schaltkreissystem eines Prozessorchips so und potenziert sich, wenn in sogenannten verteilten Systemen viele Computer miteinander vernetzt sind und zusammenarbeiten. In solchen ständig wachsenden Systemen mit vielen Komponenten Sicherheit und Fehlerfreiheit zu garantieren, ist eine große Aufgabe für die Forschung.

Verteilte Systeme kommen schon seit ihrer Entwicklung in den 1980er-Jahren überall zum Einsatz. Das prominenteste Beispiel ist das Internet. Mehrere vergleichsweise billige Rechner sind darin vernetzt und können viele Prozesse gleichzeitig und schnell ausführen. Die Theorie solcher Systeme erforscht Lenzen schon seit seiner Zeit als Doktorand an der ETH Zürich, wo er von 2007 bis 2011 promovierte. Eines der Probleme, das Lenzen seither besonders beschäftigt, ist die sogenannte Uhr- oder Taktsynchronisation (Englisch: clock synchronization) in verteilten Systemen. „Für verschiedene Anwendungen ist es wichtig, dass diese eine gemeinsame Vorstellung von Zeit haben“, sagt Lenzen. Zusammen mit einem Team der ETH Zürich arbeitet er daran, eine sichere Zeitbasis für ein modernisiertes Internet zu schaffen. Die bestehende Internetarchitektur wird dafür komplett überarbeitet.

Es gibt einige Parallelen zwischen der Taktsynchronisation in verteilten Systemen und in Prozessoren. Allerdings muss in Prozessoren die zeitliche Abstimmung noch ums Millionenfache genauer sein. Warum ist das so? Der Prozessor ist das Gehirn eines Computers. Er verarbeitet in jeder Sekunde zahlreiche Anweisungen aus verschiedenen Computerprogrammen. Taktsignale in Form von elektrischen Impulsen koordinieren diese Prozesse, indem sie den jeweils nächsten Rechenschritt einleiten. Wird die Differenz zwischen den Takten in einem Rechnernetzwerk zu groß, weil etwa Fehler an einzelnen Stellen zu Verzögerungen führen, kommt es zu Problemen bei der gemeinsamen Lösung von Aufgaben. Eingebaute Puffer kompensieren solche Ausfälle, aber die Computer müssen stetig synchronisiert werden, um eine reibungslose Kooperation zu garantieren. Verzögerungen bei diesem Synchronisationsprozess kommen immer wieder vor und machen den Computer langsamer. Lenzen arbeitet deshalb an neuen fehlertoleranten Taktungsmethoden, die auch in wachsenden Systemen eine reibungslose Zusammenarbeit garantieren. „Quasi als Nebenprodukt ergab sich aus der bereits geleisteten Arbeit ein Schaltkreisdesign, das Spannungsabfälle kompensieren kann, ohne zu Synchronisationsverzögerungen zu führen.“ Sein Forscherteam schätzt, dass mit diesem Design ein Leistungszuwachs für die Prozessoren von bis zu 5 Prozent möglich ist. Lenzen hofft, Industriepartner für dieses Projekt zu finden, sodass die Technologie erfolgreich auf den Markt gebracht werden kann.

„Ich werde mit diesen Projekten noch eine Weile beschäftigt sein, aber ich freue mich schon sehr auf die Zusammenarbeit mit meinen neuen Kolleg:innen vom CISPA“, sagt Lenzen. Der 39-Jährige, der gebürtig aus der Nähe von Kleve an der deutsch-niederländischen Grenze stammt, kennt das Saarland schon ganz gut. Bis zu seinem Wechsel ans CISPA war er sieben Jahre lang Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken. Weitere Forschungsschwerpunkte von Lenzen liegen ebenfalls im Bereich der Theorie verteilter Systeme und sind zum Beispiel Konsensus oder verteilte Graphprobleme.