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2022-08-01
Patricia Müller

Wie Nutzer mit eigenen Daten Geld verdienen könnten 

Mit Hyde kann man seine Daten zu Geld machen. Was im ersten Moment nach einer dubiosen Plattform im Darknet klingt, ist vielmehr die Vision, Endverbrauchern die Kontrolle über ihre Daten im Netz zurückzugeben und sich die Weitergabe der Daten bezahlen zu lassen.

Es beginnt damit, dass Nutzer ihre Daten von Diensten wie Spotify, Facebook oder Zalando mit der Plattform Hyde verknüpfen. Diese Verhaltensdaten erlauben Schlussfolgerungen über Musikgeschmack, Reisevorlieben oder Mode-Präferenzen. Auf Basis der Datenschutzgrundverordnung sind die Dienste dazu verpflichtet, die Daten zugänglich zu machen. „Bestehende große Marktteilnehmer bauen Datensilos mit unserem Nutzerverhalten“, sagt Kurt Uwe Stoll. „Facebook verdient hier Milliarden. Die Nutzer werden an dieser Wertschöpfung nicht beteiligt.“ Warum also nicht selbst Geld mit seinen Daten verdienen? Mit Hyde lassen sich die eigenen Daten monetarisieren, also gezielt an Unternehmenskunden verkaufen. Ein besonderer Augenmerk liegt hier im Vergleich zu Wettbewerbern auf dem Datenschutz. Jüngste Entwicklungen im Bereich Privacy Tech ermöglichen es, Erkenntnisse aus den Daten zu generieren, ohne dabei einzelne konkrete Verhaltensdetails offenlegen zu müssen.

Die zugrundeliegende Technologie kann einfach erklärt werden: Anstatt die genauen Verhaltensdaten an Unternehmenskunden weiterzugeben, werden lediglich statistisch verdichtete Informationen über Nutzergruppen übermittelt. Somit kann ausgeschlossen werden, dass Detailinformationen ans Licht kommen, z.B. wer sich wann was genau auf Netflix angeschaut hat.

Hyde soll einen Sinneswandel im Bereich der Datensouveränität auslösen. Darin liegt neben der technischen Herausforderung die größte Schwierigkeit: Den wissenschaftlichen Durchbruch in der Datenschutztechnologie dem Ottonormalverbraucher zu erklären. “Der Durchschnittsnutzer kann sich heute schlicht nicht vorstellen, dass ein Verkauf seiner Daten nicht mit dem Verlust seiner Privatsphäre verknüpft ist. Hier besteht noch viel Aufklärungsbedarf. Darüber hinaus ist den meisten nicht bewusst, dass persönliche Verhaltensdaten sehr wertvoll sein können.”

Für Unternehmen bietet Hyde die Möglichkeit, Kundenverständnis auf ein gänzlich neues Level zu heben. Hier bietet Hyde die deutliche Verbesserung zentraler wirtschaftlicher Kennzahlen. Als Beispiel führt Uwe Stoll an: “Ein E-Commerce Store möchte in Neukundenakquise seiner profitabelsten Kunden investieren. Hyde kann hier bspw. detaillierte Erkenntnisse zum Musikgeschmack liefern, die mit bestehenden Technologien nicht zugänglich sind. Nachdem der Store festgestellt hat, dass die profitablen Kunden bspw. gerne Downtempo-Techno hören, kann in diesem präzisen Segment beispielsweise durch ein Sponsoring eines Events geworben werden. So vereint Hyde Vorzüge des in Verruf geratenen Targetings mit ausgezeichneten Privacy-Garantien.”

Ein weiterer Innovationscharakter von Hyde kommt durch die große Breite der Daten zustande: „Während einzelne Anbieter immer nur kleine Aspekte des Nutzerverhaltens abbilden, ist unsere Vision, eine 360° Abbildung zu schaffen. Wir möchten Daten aus verschiedensten Lebensbereichen wie Musik, Shopping oder Reisen verknüpfen und damit Neuland betreten.” Neben dem naheliegenden Nutzen zur Verbesserung der Leistung von Unternehmen ist die langfristige Vision von Hyde die Nutzung dieser Daten zum Training von AI: „Das größte Problem von Machine Learning ist auf viele Jahre hinaus noch die Verfügbarkeit von gelabelten Daten. Unser langfristiger Anspruch ist es, den größten Privacy-First Datensatz über menschliches Verhalten zu aufzubauen. Darauf lassen sich dann AI-Agenten der nächsten Generation trainieren.“ 

Das Ziel von Hyde: 10 Millionen Nutzer in Europa im Laufe der kommenden fünf Jahre. Stand Juli 2022 steht Hyde bei 8500 Nutzern und 15 angebotenen Diensten, aus denen Daten generiert werden können. Die Plattform ging am 1. Januar 2022 live.

 

Über den Gründer

Kurt Uwe Stoll kommt ursprünglich aus Saarbrücken. Nach einem Diplom in BWL in Trier promovierte er im Fach Wirtschaftsinformatik im Bereich Semantic Web und Machine Learning an der Universität der Bundeswehr München. Hier war er maßgeblich an der Entwicklung von GoodRelations beteiligt. GoodRelations ist eine Web-Ontologie im Bereich E-Commerce, die später in den globalen Semantic-Web-Standard schema.org der großen Suchmaschinen integriert wurde.  Diese Technologie wird heute von Milliarden Usern täglich benutzt.

Seit 2014 hat er in verschiedenen leitenden Positionen in großen und kleinen Unternehmen im Bereich Machine Learning / AI gearbeitet. Wichtige Stationen waren hier das Startup Import.io in London, Pro7Sat1Digital, ein eignenes Startup im Bereich Deep Reinforcement Learning und E-Commerce, PwC als Head of Privacy-Preserving Machine Learning Deutschland sowie RTL im Bereich Empfehlungssysteme. Seit 2016 erfolgte eine weitere Fokussierung auf Privacy-Preserving Machine Learning an der Schnittstelle zwischen Datenschutz und künstlicher Intelligenz. Dieses Forschungsfeld stellt die Grundlage für das zweite Startup Hyde dar, welches sich mit der datenschutzkonformen Monetarisierung von Verhaltensdaten befasst.