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2023-05-05
Annabelle Theobald

CISPA-Forscher Christoph Lenzen erhält erneut Proof of Concept Grant vom ERC

Der aktuelle Mobilfunkstandard 5G sowie das in der Entwicklung befindliche 6G versprechen immens schnelle Datenübertragungsraten und eröffnen damit ganz neue Möglichkeiten, etwa für die maschinelle Fertigung oder im Bereich des autonomen Fahrens. Das in der Informatik altbekannte Problem, große verteilte Netzwerke zeitlich synchron zu halten, sorgt allerdings dafür, dass das volle Potenzial der neuen Technologien kaum ausgeschöpft werden kann. CISPA-Faculty Dr. Christoph Lenzen und sein Team haben Synchronisierungsalgorithmen entwickelt, die – richtig implementiert – dieses Problem lösen. Der European Research Council (ERC) unterstützt Lenzen mit einem Proof of Concept Grant in Höhe von 150 000 Euro dabei, seine bahnbrechende Forschung in die Anwendung zu bringen.

Für eine funktionierende Mobilfunkkommunikation ist das richtige Timing entscheidend. Warum? Das Mobilfunknetz ist in Regionen, sogenannte Funkzellen, aufgeteilt, in denen Basisstationen stehen. Diese senden Funksignale an und empfangen sie von Mobilfunkgeräten wie Smartphones. „Benachbarte Basisstationen müssen sich einigen, wer wann dran ist. Sonst funken sie sich im wahrsten Sinne des Wortes ständig gegenseitig dazwischen“, erklärt Lenzen.

Satellitensysteme senden Zeitsignal

Um sich synchronisieren zu können, brauchen die Stationen ein gemeinsames Zeitsignal. Das bekommen sie derzeit standardmäßig über sogenannte GNSS-Services. GNSS steht für Global Navigation Satellite Systems, das sind satellitengestützte Navigationssysteme wie zum Beispiel GPS. „Das Problem ist, dass diese Signale sehr leicht zu stören sind. Sie werden bislang auch nicht richtig abgesichert und das macht unsere Kommunikationswege angreifbar“, sagt Lenzen. Dass die GNSS-Zeit nicht in Innenräumen und an anderen Orten ohne Sichtverbindung zu ausreichend vielen Satelliten verfügbar ist, schränke zudem die Möglichkeiten von 5G ein. „Gegenwärtig ist man deshalb auf kabelgebundene Verbindungen zu einem Standort mit Empfang angewiesen. 5G und 6G-Netze könnten aber eigentlich auch mit temporären Basisstationen arbeiten, bei denen statt Verkabelung eine Richtfunkstrecke verwendet wird. Das klappt aber nicht ohne möglichst exakte Synchronisierung.“ 

Gute Kommunikation unter Nachbarn

Nicht nur im Mobilfunknetz auch in anderen Netzwerken kommunizieren laut Lenzen vor allem direkte Nachbar-Komponenten miteinander. „Wenn man es schafft, dass diese so synchron wie möglich sind, lassen sich viele Probleme lösen, denn dann spielt die eigentliche Zeit gar keine Rolle mehr“, sagt Lenzen. Dieser Ansatz nennt sich Gradient Clock Synchronization. „Wir haben neuartige Algorithmen entwickelt, die genau das können“, erklärt Lenzen. „Das führt zum einen zu niedrigeren Reaktionszeiten, auch in sehr großen Systemen. Zum anderen spart es der Industrie viel Geld.“ Warum? Die GNSS-Zeit leidet neben den bereits genannten Problemen auch unter einer schlechten Verfügbarkeit. „Ist man auf sie angewiesen, braucht man hochstabile Oszillatoren als Taktgeber in den Basisstationen. Mit unserer Lösung sind Anbieter:innen nicht mehr von GNSS-Systemen abhängig und können deshalb auch mit deutlich billigeren, weniger stabilen Oszillatoren arbeiten“, sagt Lenzen.

Weitere Innovation

Bessere Reaktionszeiten und Designvorteile sind aber nicht das Einzige, was Lenzen mit seinem Projekt erreichen will. Auch in puncto Sicherheit soll GradeSync Innovation bringen. Bei der Synchronisationsmessung von Funkzellen werden genaue Entfernungsinformationen gebraucht. „Wir arbeiten daher mit CISPA-Faculty Dr. Mridula Singh zusammen. Sie erforscht Lösungen für sichere Entfernungs- und Positionsbestimmungen. Wenn es uns gelingt, ihren sicheren Ranging-Algorithmus in unseren Prototyp einzubauen, bedeutet das einen enormen Sprung in der Technik. Bislang gibt es nicht einmal eine unsichere Implementierung von Gradient Clock Synchronizsation.“ Lenzens Forschung ist dabei längst nicht nur im Bereich Mobilfunk interessant. „Was wir tun, ist auch für Chiphersteller relevant“, sagt Lenzen.

Startup Timelords arbeitet an der Umsetzung

Um seinen Forschungsansatz an den konkreten Bedürfnissen der Industrie auszurichten und möglichst schnell in anwendbare Produkte zu überführen, hat Christoph Lenzen zusammen mit weiteren CISPA-Forschenden das Startup „Timelords“ gegründet. Die Basis für das Projekt legt die jahrelange Forschungsarbeit von Lenzen zur Synchronisation in verteilten Netzwerken. 2017 hatte der CISPA-Faculty für sein Projekt „A Theory of Reliable Hardware“ einen ERC Starting Grant erhalten. Darin hat Lenzen einen mathematischen Ansatz entwickelt, um Schaltungen in Prozessoren so zu modellieren, dass Fehler sie nicht aus dem Takt bringen und damit Leistungseinbußen vermieden werden. GradeSync ist neben FastVolt Lenzens zweiter vom ERC geförderter, aus diesem Ursprungsprojekt resultierender Proof of Concept. Das ist der Beweis, dass eine Idee auch in der Realität umsetzbar ist. „Es ist toll, dass der ERC an meine Forschung glaubt und unsere Idee unterstützt. Das Geld hilft uns enorm weiter“, sagt Lenzen. Er hofft, dass auch die Industrie das Potenzial seines Ansatzes erkennt und diesen so mit vorantreibt.

Zur Person

Christoph Lenzen beschäftigt sich in seiner Forschung vor allem mit der Theorie von Distributed Computing, insbesondere mit Clock Synchronization, Load Balancing, Graphenproblemen, Fehlertoleranz und Algorithmen in Hardware. 2011 hat er sein PhD-Studium an der ETH Zürich erfolgreich beendet und war im Anschluss als Postdoc an der Hebrew University of Jeruslem und dem Weizmann Institute of Science sowie ab 2013 am Massachusetts Institute of Technology. Im Juli 2014 wurde er Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken, bevor er 2021 als Faculty ans CISPA wechselte.

Über den ERC

Der ERC, der 2007 von der Europäischen Union gegründet wurde, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er finanziert kreative Forschende aller Nationalitäten und Alters, um Projekte in ganz Europa durchzuführen. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Mit seinem Proof of Concept Grant hilft der ERC den Geförderten, die Lücke zwischen ihrer bahnbrechenden Forschung und den frühen Phasen ihrer Kommerzialisierung. Der ERC wird von einem unabhängigen Leitungsgremium, dem wissenschaftlichen Rat, geleitet. Seit November 2021 ist Maria Leptin ist die Präsidentin des ERC. Das Gesamtbudget des ERC für den Zeitraum 2021 bis 2027 beträgt mehr als 16 Milliarden Euro und ist Teil des Programms Horizont Europa, für das die Europäische Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, Mariya Gabriel, verantwortlich ist.