Der Schlüssel zur Aufmerksamkeit des Publikums: Ein Interview mit Pitch Coach Beth Susanne
Beth, mit 25 Jahren Erfahrung hast du schon viele internationale Startups dabei unterstützt, an den Markt zu gehen und Investoren zu finden. Du hast sicher schon unzählige Pitches gehört. Womit kann man dich nach all dieser Zeit noch beeindrucken?
Beth: Beth: Was mich nach über 3750 Pitches von Gründer:innen, Wissenschaftler:innen, Forscher:innen, Corporate-Venture-Fonds-Startups und Portfolio-Unternehmen von VC-Fonds immer noch sehr beeindruckt, ist die Veränderung vom ersten Pitch, wenn sie zum ersten Mal mit mir zusammenarbeiten, bis zum Ende des zweiten Tages der gemeinsamen Arbeit, wenn sie sich vollkommen verwandelt haben. Die ganze Gruppe, jede:r Einzelne hat eine Veränderung durchgemacht, die einfach erstaunlich ist. Anfangs waren sie sich nicht im Klaren darüber, was sie sagen sollten, was sie nicht sagen sollten und wie sie es sagen sollten. Sie konnten den Wert dessen, was sie tun und warum es wichtig ist, nicht klar zum Ausdruck bringen. Und zum Schluss können sie all das ganz klar formulieren: den Wert dessen, was sie tun, warum es wichtig ist, die Auswirkungen, die es haben wird, und was brauchen, beispielsweise Geld, mehr Mentor:innen oder andere Ressourcen. Und genau diese Klarheit ist es, die ihnen Kraft verleiht.
Wenn man einen effektiven Pitch hält, einen wirklich überzeugenden Pitch, dann beschleunigt man seinen Fortschritt dramatisch. Die meisten Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, was die Investoren oder die Jury hören wollen. Also sagen sie zu viel vom Falschen und verlieren so ihr Publikum.
Vor Covid, als wir noch persönlich sprechen konnten – und das tun wir jetzt wieder –, hatten die Leute zehn bis 30 Sekunden Zeit, um zu entscheiden, ob es sich lohnt, jemandem zuzuhören oder nicht. Bei Online-Präsentationen sind es heute oft nur noch drei Sekunden. Es kommt darauf an, wie man seinen Pitch beginnt. Die meisten Menschen verstehen nicht, wie wichtig es ist, gleich zu Beginn die Aufmerksamkeit der Zuhörer:innen zu gewinnen und sie dann während des gesamten Pitches zu behalten. Was ist die Geschichte, die sie erzählen und die für die Menschen, die Ihnen zuhören, wichtig ist? Ich helfe meinen Kund:innen, die Motivation der Zuhörer:innen zu verstehen.
Wenn man erst einmal verstanden hat, was das Publikum möchte und warum es sich für die Technologie oder Produkte interessieren sollten, dann kann man seine Aussagen und die Art und Weise, wie man sie übermittelt, so anpassen, dass die Zuhörer:innen hören, was sie hören wollen und müssen. Es gibt ein Sprichwort, das besagt, dass Aufmerksamkeit die einzige Währung ist, auf die es ankommt. Und wenn es dir nicht gelingt, die Aufmerksamkeit der Kund:innen zu gewinnen, dann passiert auch nichts.
Funktionieren Pitches auf der ganzen Welt gleich?
Ich habe Teams aus 60 verschiedenen Ländern gecoacht, und ich war als Trainerin in 30 verschiedenen Ländern. Meiner Erfahrung nach ist der fünfminütige Pitch selbst in unterschiedlichen Kulturen überall auf der Welt derselbe. Man muss über das Problem, die Lösung, den Markt, das Geschäftsmodell, den Zielmarkt und die Konkurrenz sprechen.
Man muss über sein Team sprechen und darüber, warum man die richtigen Leute für dieses Projekt hat. Und dann muss man über die Finanzprognosen sprechen, also über die Einnahmen, die man in den nächsten fünf Jahren erzielen will. Und am Ende muss man über seine Forderung sprechen. Diese Art von Ablauf ist überall auf der Welt gleich.
Was sich ändert, ist der Fragen- und Antwortteil zum Schluss. Da muss man sich über die kulturellen Unterschiede im Klaren sein. Denn Menschen aus verschiedenen Kulturen reagieren unterschiedlich, wenn sie miteinander kommunizieren. Einige Kulturen sind aufgabenorientiert wie die USA, wo man sofort zum Ergebnis kommen will. In den USA wollen sie wissen, was sie tun und warum es wichtig ist – ohne dass sich eine echte Beziehung entwickelt. Aber es gibt andere Kulturen, die ganz auf Beziehungen basieren, und viele europäische Kulturen sind eher beziehungsorientiert.
Wenn man sich jedoch mit Risikokapitalgeber:innen über die Beschaffung von Geld unterhält, die jedes Jahr 1200 Pitch-Decks auf ihrem Schreibtisch liegen haben und sich mit etwa 500 der Teams treffen, hat man nicht viel Zeit. Man muss ihnen in den fünf Minuten alle Informationen geben, aber man möchte, dass sie in der Frage- und Antwortrunde tiefer eintauchen, um die Folgen zu verstehen, die man zu erwarten hat. Was man nicht möchte, ist, dass sie Fragen stellen, nach dem Motto: „Ich habe nicht verstanden, was Sie tun“, oder prozessorientierte Fragen, bei denen sie bezweifeln, dass Sie wissen, was Sie tun.
Cybersecurity zu erklären, kann ganz schön schwierig sein. Unsere Startups, Faculty und PhDs arbeiten an hochkomplexen Lösungen und Technologien. Hast du einen ultimativen Tipp, wie man es schafft, sehr komplizierte Dinge für Fachfremde greifbar zu machen?
Ja. Was man tun muss, ist, sich nicht so sehr in dem zu verlieren, was man tut, sondern sich zu fragen, welches Problem man löst und warum man es tut. Was ist die Auswirkung dessen, was man tut? Warum ist es wichtig? Und wenn sie auf diese Weise einen Schritt zurücktreten und anfangen, mir in einfachem Englisch zu erklären, was sie tun, ohne den Fachjargon zu verwenden, den sie normalerweise benutzen, dann wird jedes komplexe Thema viel verständlicher. Denn wenn man Jargon verwendet, verliert man sein Publikum. Nur wenn man mit jemandem spricht, der genau in diesem Gebiet tätig ist, kann man Fachvokabular verwenden.
Die Forschung hat aber gezeigt, dass selbst bei Wissenschaftler:innen, die sich an andere aus ihrem Fach wenden, diejenigen, die den meisten Fachjargon verwenden, 26 Prozent weniger veröffentlicht werden als die anderen, die etwas weniger Fachjargon verwenden. Selbst wenn man sich in dem Bereich auskennen, will man nicht zu viele Fachbegriffe hören. Das ist eine Art Ausgrenzung. Man schließt die Leute aus seiner Welt aus und sagt: „Ich weiß das, und du nicht“, was den Leuten nicht das Gefühl gibt, dass man versucht, sie einzubeziehen und wirklich mit ihnen zu kommunizieren. Denn der Sinn von Präsentationen über die eigene Technologie oder Forschung besteht darin, dass die Menschen sie verstehen. Es geht also im Grunde darum, einen Schritt zurückzutreten und die Sache aus der Vogelperspektive zu betrachten.
Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Startups und die mit Forschenden in deinen Augen?
Es gibt durchaus Unterschiede. Wenn ich mit Startups arbeite, haben sie ein sehr klares Ziel. Sie müssen Geld beschaffen, und zwar in der Regel innerhalb der nächsten sechs Monate bis zu einem Jahr, manchmal auch innerhalb von 18 Monaten. Sie sind motiviert, es wirklich auf die Reihe zu bekommen. Sie müssen wissen, was sie sagen müssen, was sie nicht sagen dürfen und wie sie es sagen müssen, damit Investor:innen den Wert ihrer Arbeit erkennen.
Die Forscher:innen haben ein eher längerfristiges Ziel, das gewissermaßen offen ist, das heißt, es gibt nicht nur einen einzigen Endpunkt. Wenn sie einen Vortrag auf einer Konferenz halten, wird das nicht über ihre Karriere entscheiden. Es könnte ihre Karriere beeinflussen, indem sie zum Beispiel Fördergelder erhalten. Sie könnten veröffentlicht werden und einen großen Beitrag leisten, oder zitiert werden. Aber es geht mehr darum, die eigene Forschung mit anderen zu teilen, damit mehr Menschen davon erfahren, damit sie mehr Feedback erhalten und einen intellektuellen Gedankenaustausch führen können. Sie sind nicht so sehr auf die längerfristigen Auswirkungen konzentriert. Es besteht weniger Druck und es gibt kein Endziel.
Welcher Pitch, den du am CISPA gehört hast, hat dich beeindruckt und wird dir in Erinnerung bleiben?
Mir geht es darum, alle zum Leuchten zu bringen, und nicht darum zu beurteilen, wer besser ist als die anderen. Ich kann sehen, dass bestimmte Leute Technologien präsentieren, die leichter zu verstehen und anzuwenden sind, und ich verstehe den Wert dieser Technologien. Es gab viele Startups, die wirklich marktfähig waren. Ich sorge dafür, dass sie es schaffen überzeugend zu sein, sobald der Markt den Wert dessen erkennt, was sie tun. Ich helfe den einzelnen Gründer:innen, vor Investor:innen aufzutreten und ihren Wert verständlich darzustellen, damit sie die bestmögliche Chance haben, so schnell wie möglich die benötigten Mittel aufzubringen. Das ist mein Fokus.
Vielen herzlichen Dank für das Interview.