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2023-04-13
Patricia Müller

Was Saarbrücken besser kann als Stanford

Das Silicon Valley ist bekannt als Quelle großer Innovationen mit einer einzigartigen Startup-Kultur. CISPA-Forscher Christopher Hahn ist derzeit vor Ort als Gastprofessor an der Stanford Universität und berichtet, was am CISPA besser läuft als im Silicon Valley – und was wir noch lernen können.

Bitte erzähl uns doch kurz, wie du nach Stanford gekommen bist – was führt dich nach Kalifornien?

CHRISTOPHER HAHN: Sehr gerne! Nach Abschluss meiner Promotion habe ich mich dazu entschieden, mich beim "CISPA-Stanford Center for Cybersecurity" zu bewerben, um meine Forschung im Bereich Künstlicher Intelligenz und Security auf weltweit führendem Niveau fortzusetzen. Die Zusammenarbeit zwischen dem CISPA und der Stanford Universität stellt für mich eine optimale Kombination dar: Die Dynamik und der Antrieb eines aufstrebenden Forschungsinstituts gepaart mit der Erfahrung und Expertise einer der renommiertesten Universitäten der Welt. Nach Abschluss meiner Postdoc-Phase am CISPA bin ich im August letzten Jahres mit meiner Familie in das Silicon Valley gezogen, um als Gastprofessor an der Stanford Universität zu forschen, zu lehren und mich mit Startups über die neuesten Herausforderungen und deren Lösungen auszutauschen.

 

Als Startup-Magnet ist das Silicon Valley dafür bekannt, dass es viele nach dem Studium direkt in ein Startup zieht, entweder selbst als Gründer:in oder als Teammitglied. Lässt sich das durch deine neuen Bekanntschaften bestätigen, arbeiten dort viele in Startups und hoffen darauf, „The Next Big Thing“ gefunden zu haben?

CHRISTOPHER HAHN: Das kann ich so absolut bestätigen. Das Silicon Valley ist ein Hotspot für Startups. Auch als Professor:in und Forscher:in gehört es dazu, sich als Gründer:in zu engagieren, um neueste Forschung schnellstmöglich als großartiges Produkt zu verwirklichen und für möglichst viele Menschen verfügbar zu machen. In Gesprächen mit Kolleg:innen, Studierenden und neuen Bekanntschaften bin ich jedoch besonders beeindruckt von dem Bewusstsein, dass ihre Startup-Versuche höchstwahrscheinlich (auf die eine oder andere Weise) nicht erfolgreich sein werden. Dieses Mindset, das eine Mischung aus Risikobereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und einer gewissen Portion Selbstüberschätzung beinhaltet, scheint sehr erfolgreich zu sein.

 

Large Language Models sind derzeit ein großes Thema. Was könnte deiner Meinung nach die nächste bahnbrechende Technologie sein? 

CHRISTOPHER HAHN: Für mich sieht es momentan so aus, als bleibe das allumfassende Thema im Silicon Valley die künstliche Intelligenz (KI) und der Versuch möglichst viele Aufgaben automatisch mit Machine-Learning-Modellen zu lösen. Die Technologie hinter den Large Language Models, der Transformer, wird jetzt gerade erst Schritt für Schritt auf neue Probleme angewandt. Mich persönlich interessieren dabei vor allem die Anwendung von KI in Code, Mathematik und Logik, und Digital Health. In all diesen Bereichen ist es von großer Bedeutung, dass die künstliche Intelligenz zuverlässig und vertrauenswürdig arbeitet oder zumindest kontrolliert werden kann. 

 

Welche Themen funktionieren dort derzeit gut für Startups?

CHRISTOPHER HAHN: Der größte Hype im Silicon Valley ist aktuell “Generative AI”, also künstliche Intelligenz, die quasi Inhalt in jeder Medienform (Text, Bilder, Videos,…) generieren kann. Forbes berichtet, dass im Jahr 2022 allein 2,6 Milliarden US-Dollar in 110 Deals in Generative-AI-Startups investiert wurden, und laut dem 2022 Stanford AI Report wurden 2021 insgesamt 93 Milliarden US-Dollar in KI-Startups privat investiert. Diese hohen Investitionssummen sind nicht überraschend, da etwa ein Drittel des US-Risikokapitals im Silicon Valley investiert wird. Generell sind Startups im Silicon Valley nicht zögerlich, sich den großen Themen unserer Zeit zu widmen. Neben KI spielen derzeit auch Digital Health sowie Ideen und Innovationen im Bereich Klimaschutz eine wichtige Rolle.

 

Medien haben in den vergangenen Monaten immer mal wieder von einem „Vibe shift“, einem Stimmungswandel, im Silicon Valley berichtet. Tech-Firmen, darunter Google, Amazon und Meta, kündigen Tausende von Mitarbeitenden und fürchten sich vor einer Rezession. Wie erlebst du die Situation in der Gründerszene vor Ort?

CHRISTOPHER HAHN: Ich kann diese Beobachtung aus meinem Umfeld heraus so bestätigen. Insbesondere beobachte ich eine Abwanderung von KI-Spezialisten von großen Unternehmen hin zu Startups, um mit den neuen Technologien schnell und schlank neue Produkte zu entwickeln. In dieser aufregenden Zeit versuchen alle, ihr Bestes zu geben und den großen Tech-Firmen in Sachen Innovation durch ihre Agilität einen Schritt voraus zu sein. Daher kann ich die Ängste der großen Unternehmen nachvollziehen. In der Gründerszene herrscht derzeit ein starker Wettbewerb zwischen kleinen Startups und großen Unternehmen. Es ist ein Wettlauf zwischen David und Goliath.

 

Ist es im Silicon Valley total einfach, ein Startup zu gründen, oder gibt es auch dort große Hürden und Hindernisse?

CHRISTOPHER HAHN: Die Gründung eines Startups in den USA ist theoretisch einfach, da es wenig Hürden gibt, um zum Beispiel eine LLC („Limited Liability Company“) zu gründen, was im Durchschnitt nur knapp mehr als 100 US-Dollar kostet und sogar außerhalb der USA möglich ist. Möchte man allerdings vor Ort im Silicon Valley sein, gibt es erhebliche Herausforderungen, wie die Frage nach der Arbeitserlaubnis, die Tatsache, dass das Silicon Valley einer der wettbewerbsintensivsten Orte der Welt ist, sowie die hohen Lebenshaltungskosten wie Mieten für Büroflächen und Wohnungen und hohe Mitarbeitergehälter. Dies erschwert es Startups lange durchzuhalten, selbst bei den oben angesprochenen hohen Investitionssummen.

 

Welche Vorteile hat das Gründen vergleichsweise in Deutschland und speziell am CISPA?

CHRISTOPHER HAHN: Das Gründen am CISPA und in Deutschland hat im Vergleich zum Silicon Valley seine eigenen Vorteile. Am CISPA herrscht ein Umfeld nach dem Silicon-Valley-Prinzip mit einem starken Fokus auf Forschung und Innovation. Die Universität des Saarlandes bietet eine hervorragende Ausbildung im Bereich der Informatik und Nachwuchsförderung. Des Weiteren gibt es eine hohe Investitionsbereitschaft seitens des Bundes und Landes sowie ein dynamisches und engagiertes Inkubationsteam. Im Vergleich zum Silicon Valley sind die Lebenshaltungskosten im Saarland geringer, was die Investitionssummen wettmacht. Events, wie das letzte CISPA Startup Community Event, zeigen außerdem wie groß der Zusammenhalt zwischen Gründer:innen hier ist; etwas das man im Silicon Valley vielleicht vergeblich sucht.

 

Was können wir von der Gründerszene dort lernen?

CHRISTOPHER HAHN: Was mich besonders beeindruckt, ist die Tatsache, dass im Silicon Valley alle Beteiligten – ob Forscher:in, Gründer:in oder Kapitalgeber:in – an einem Strang ziehen, um das Ökosystem am Leben zu erhalten, obwohl jede:r eigene Interessen verfolgt. Dieses Mindset geht auf Frederick Terman zurück, der von 1944 bis 1958 Dekan der School of Engineering an der Stanford University war. Er ermutigte Studierende und Fakultätsmitglieder gleichermaßen, eigene Firmen zu gründen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden und einen Strukturwandel im Westen der USA mitzugestalten. Ihm wird folgendes Zitat zugesprochen: “When we set out to create a community of technical scholars in Silicon Valley, there wasn't much here and the rest of the world looked awfully big. Now a lot of the rest of the world is here.” Eine ähnliche Aufgabe haben wir hier im Saarland vor uns. Wir können auf jeden Fall lernen, selbstbewusst und verantwortungsbewusst zu sein.

 

Wie stehen die Chancen, dass du selbst auch mal gründest?

CHRISTOPHER HAHN: Die Chancen stehen sehr hoch. Ich würde sogar sagen, es ist nur eine Frage der Zeit. (;

 

 

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