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2025-09-04
David Baus

„Ich wünsche mir noch mehr sichtbare, wirksame Politik vor Ort“

Mitten in Saarbrücken hat sich die Halle4 als Hotspot für Gründer:innen etabliert. Hier entstehen neue Startups, Talente wechseln nahtlos von einem Unternehmen zum nächsten, und Kooperationen wachsen aus spontanen Begegnungen an der Bar. Auch das CISPA hat ein Büro in der Halle4, um direkt mit den Startups in Kontakt zu sein. Im Interview erklärt Bernd Pohl, Geschäftsführer der We Start Spaces GmbH und Betreiber der Halle4, was den Co-Working Space einzigartig macht, warum das Saarland ein spannender Standort für Innovation ist – und was die Politik besser machen könnte.

CISPA: Wie kam die Kooperation mit dem CISPA zustande? Was war der Auslöser und was hat dich überzeugt?

Bernd Pohl: Ich kenne das CISPA tatsächlich seit seinen Anfängen. Zusammen mit CISPA Faculty Dr. Andreas Zeller habe ich auch die Softwarefirma Testfabrik AG gegründet. Daher hatte ich schon früh Kontaktpunkte zum CISPA. Dr. Kevin Streit, administrativer Geschäftsführer am CISPA, war ebenfalls früher studentischer Mitarbeiter bei uns.
Wir hatten also schon viel miteinander zu tun. Parallel haben wir die Testfabrik weiterentwickelt und ich habe zusätzlich den Co-Working Space aufgebaut. Gleichzeitig hat das CISPA langsam seine Technologietransfer-Strukturen etabliert. Das kam alles ungefähr zur gleichen Zeit. Mir war sehr schnell klar: Startups entstehen unter anderem aus Technologietransfer – das ist einer der wichtigen Aspekte.
Ich bin gleichzeitig Sprecher im Startup-Verband. Ich wollte einen Co-Working Space bauen für Startups, für Community und für Technologie hier im Saarland. Und da war das natürlich sofort ein inhaltlicher Match. Es war richtig spannend, sich damit zu beschäftigen.

Wie viele Startups sind dauerhaft in der Halle4 ansässig? Wie viele davon stammen aus dem CISPA Inkubator?

Hier vor Ort haben wir knapp zehn Startups mit festem Sitz, plus noch einige, die regelmäßig vorbeikommen, um ihre Teammeetings hier zu machen. Manche fluktuieren ein bisschen. Sie sind nicht alle vom CISPA, sondern zum Teil auch von der Universität des Saarlandes, von der HTW (Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes) oder einfach Startups, die nicht direkt aus dem universitären Umfeld kommen. Das ist eine gute Mischung. Aber wir haben natürlich eine hohe Digitalquote und ohnehin eine hohe KI-Quote hier in der Halle.

Welche Vorteile siehst du für die Startups in Halle4 durch die Zusammenarbeit mit dem CISPA?

Da gibt es verschiedene Aspekte, die sich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis schon bewahrheitet haben.
Der erste ist tatsächlich der Community-Aspekt im Bereich Austausch. Wir haben hier Startups in unterschiedlichen Phasen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Austausch untereinander bringt unheimlich viel – und der muss nicht koordiniert oder terminiert werden, sondern passiert ganz natürlich, zum Beispiel an der Bar. Da kommt der Philipp von QuantPi an die Bar, dann der Dennis von XpectAI, man trinkt zusammen Kaffee und spricht über aktuelle Herausforderungen.
Der zweite wichtige Aspekt ist ein sehr praktischer: Wir sind hier im Saarland wahrscheinlich der absolut flexibelste Ort, um ein Business aufzubauen, zu wachsen oder auch zu schrumpfen. Du machst hier keinen Mietvertrag, sondern Mitgliedsverträge, die nur auf Monatsbasis laufen. Du kannst Offices dazubuchen, wenn du wächst, und wieder abgeben, wenn du schrumpfst. Als Startup weißt du nicht, ob du nach drei Jahren drei oder 30 Leute hast. Einen Mietvertrag in der Stadt über fünf Jahre zu unterschreiben ist da eine ganz andere Nummer. Hier musst du dich um nichts kümmern außer um dein Business. Wir sorgen für Kaffee, Klopapier, gute Räume, geteilte Ressourcen und alles, was dazugehört – und das auch noch in einer starken Community und einem guten Umfeld.
Der dritte Aspekt ergibt sich daraus: Hier sind tatsächlich schon Startups entstanden oder Menschen von einem Startup zu einem anderen Unternehmen gewechselt, ohne den Raum verlassen zu müssen. Wenn ein Startup scheitert – was vorkommt – sitzt zum Beispiel ein paar Türen weiter die StackIT, die Cloud-Tochter von SchwarzIT, mit ihrer saarländischen Fraktion. Die brauchen immer fähige Leute. So wechseln Talente einfach den Flur.
Umgekehrt gibt es Freelancer oder Leute aus größeren Unternehmen, die hier Kontakte knüpfen und dann sagen: „Vielleicht steige ich bei einem Startup ein, das klingt super spannend.“ So ist zum Beispiel Max Losch von QuantPi hierher gekommen.
Ich glaube, aktuell ist das im Saarland der einzige Ort, an dem das so passiert.

Was zeichnet Halle4 im Vergleich zu anderen Startup-Zentren oder Co-Working Spaces aus?

Zum einen die Größe. Wenn du 200 Quadratmeter mit zehn Leuten hast, die sich gelegentlich treffen, kann nie so eine Dynamik entstehen wie auf 2000 Quadratmetern mit 150 Arbeitsplätzen, die ständig wechseln und fluktuieren. Du brauchst eine kritische Masse – und die haben wir hier.

©David Baus/CISPA
©David Baus/CISPA
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©David Baus/CISPA
©David Baus/CISPA

Wie bereits erwähnt, bist du einer der Landessprecher der Landesgruppe Saarland im Startup-Verband, dem seit 2025 auch das CISPA angehört. In welchem Umfang bist du dort in die Halle4 eingebunden?

Das ist für mich ein starker Kern. Ein Verband ist zunächst nur eine Hülle. Der Verband kümmert sich viel um politische Belange, und das läuft in Berlin – auch die gesamte Geschäftsführung sitzt dort, direkt gegenüber vom Bundestag. Das ist sinnvoll, weil dort die Politik sitzt.
Aber auf regionaler Ebene braucht es Kontaktpunkte zur lokalen Szene – und das ist schwieriger. Ein Stammtisch alle paar Wochen reicht nicht. Die Halle ist dafür der perfekte Nukleus: Hier kommen immer verschiedene Player zusammen, man kann jederzeit vorbeikommen, wenn man etwas über Startups wissen oder sich austauschen möchte. So wird das Ganze lebendig. Und das kombinieren wir zusätzlich mit unseren #Saarfari-Aktivitäten, mit denen wir gezielt Events und Aktivitäten für Startups im Saarland schaffen.

Was genau ist die Saarfari und was bringt das für das saarländische Ökosystem?

Der Grundansatz ist derselbe: Es geht darum, die Szene und die Community zusammenzubringen. Das Konzept: Wir packen 20 Leute in einen Bus und fahren drei Tage raus aus dem Saarland. Sie müssen sich miteinander auseinandersetzen, lernen sich kennen, knüpfen Kontakte. Gleichzeitig reichern wir das an mit Menschen von CISPA, Triathlon, FITT, SIKB, SWG und EastSideFab. So entsteht enger Kontakt zu Institutionen, die unterstützen können.
Außerdem zeigen wir den Leuten andere Ökosysteme. In Hamburg, Berlin oder München lernen sie erfolgreiche Gründer:innen kennen, die ihnen neue Blickwinkel geben, zeigen, dass man größer denken kann, welche Fehler man vermeiden sollte und vieles mehr. Gerade im Saarland neigt man dazu, klein zu denken. Wenn man dann jemanden trifft, der ein halbes Jahr vorher einen Exit über 300 Millionen gemacht hat, denkt man plötzlich: „Okay, das ist machbar.“
Letztlich kommt auch der Spaß nicht zu kurz. Wir sorgen für ein gutes Rahmenprogramm. Die Rückmeldungen sind gigantisch – manche waren schon bei jeder Saarfari dabei, es kommen immer neue hinzu und das Feedback ist durchweg positiv. Deshalb bleiben wir dran und versuchen mithilfe von Sponsoren, das Ganze zu sehr fairen Preisen anzubieten.

Was wünschst du dir an Kooperationen innerhalb des saarländischen Startup-Ökosystems?

Es passiert immer noch, dass ähnliche Dinge an verschiedenen Orten gleichzeitig stattfinden. Das ist nachvollziehbar, weil jede Institution ihre eigene Agenda hat – aber es ist nicht hilfreich. Kleine Strukturen werden so zersplittert. Das hat sich in den letzten Jahren schon verbessert, aber ich wünsche mir noch mehr sichtbare, wirksame Politik. Grundsätzlich sind uns alle wohlgesonnen, aber oft sind sie zu weit weg oder trauen sich nicht, einen Schritt weiterzugehen.
Ein Beispiel: In München sitzen die Wirtschaftsförderung und andere Institutionen direkt in Co-Working Spaces wie dem Munich Urban Colab. Sie haben dort Büros, sind präsent und direkte Ansprechpartner für Startups. Das wäre hier ebenfalls sinnvoll.
Ich fände es viel besser, wenn Institutionen wie das Wirtschaftsministerium, die Stadt oder die Wirtschaftsförderung auch hier einfach mal einen Tisch buchen würden – das ist nicht teuer. Dann müssten Startups nicht zu 17 verschiedenen Institutionen rennen, sondern hätten alles an einem Ort. Dinge würden einfach passieren, ohne dass man 24 Termine vereinbaren muss. Da wünsche ich mir insgesamt noch deutlich mehr.

Vielen Dank für das Interview, Bernd!

Mehr Informationen über die Halle4: https://www.halle4.net