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2022-07-18
Annabelle Theobald

„Wir wollen endlich diesen Datenschatz heben und nutzbar machen, ohne dafür den Datenschutz aufgeben zu müssen“

Schlag auf Schlag ging es für unseren leitenden Wissenschaftler Dr. Nico Döttling in den vergangenen Monaten. Im Dezember 2021 wurde er zum Tenured Faculty, die Cyberagentur hat noch im selben Monat ihre erste Machbarkeitsstudie in seine Hände gelegt und der European Research Council (ERC) hat ihm für seine Forschung zu Beginn des Jahres 2022 einen ERC Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro zugesprochen.

Herzlichen Glückwunsch zum ERC Grant, Nico. Von der Idee bis zur Förderung – wie ist der Weg dorthin?

Nico: Prinzipiell kann sich jede:r Forscher:in mindestens zwei Jahre nach seiner Promotion um einen ERC Grant bewerben. Es handelt sich dabei um die in Europa am stärksten begehrte Forschungsförderung. Der Auswahlprozess ist hart und nicht völlig durchdachte Anträge werden mit einer Bewerbungssperre von ein bis zwei Jahren belegt. Am Anfang dieses Weges steht auch gar nicht die eine bahnbrechende Idee. Vielmehr gehen dem mehrere Jahre Arbeit voraus, in denen man zeigen muss, dass man Forschungsansätze in einflussreiche Publikationen umsetzen und eigenständig forschen kann. Sonst hat man keine Chance. Die Idee für ein solch großes Forschungsprojekt ist dann auch nichts, womit man sich ganz neu beschäftigt. Viele meiner Vorarbeiten bewegen sich schon in einem ähnlichen Feld. Aber es braucht natürlich einen neuen und innovativen Ansatz oder eine neue Perspektive, um Chancen auf den ERC Grant zu haben. Das muss man in einem sehr ausführlichen Projektantrag darlegen. Ich habe daran dreieinhalb Monate geschrieben und gefeilt. Ist der eingereicht, heißt es erst mal warten. Die erste Beurteilungsrunde übersteht nur etwa ein Drittel der Bewerber. Ist die erfolgreich durchlaufen, präsentiert man der Vergabekommission nochmal in aller Kürze, was man machen will und muss sich anschließend einem Interview stellen. Das war ehrlich gesagt ziemlich nervenaufreibend. Am Ende erhalten auch nur circa 10 Prozent aller Bewerber eine positive Nachricht.

Worum geht es in dem geförderten Forschungsprojekt?

Zusammen mit einem dreiköpfigen Team, das ich in den kommenden Monaten zusammenstellen werde, will ich im Projekt „Laconic Cryptography“ Techniken und Methoden entwickeln, die beispielsweise den Weg für den sicheren Einsatz von Machine-Learning-Verfahren in der Medizin ebnen sollen. Überall auf der Welt werden längst brauchbare medizinische Daten gesammelt, deren Auswertung die Diagnostik und Behandlung von Krankheiten enorm verbessern könnte. Diese sicher zusammenzuführen und mithilfe datenintensiver Analyseverfahren, also was gemeinhin als künstlicher Intelligenz bezeichnet wird, auszuwerten, ist derzeit aber nicht möglich, da beim Rechnen auf großen Datenmengen bislang viele kryptografische Techniken versagen. Wir wollen endlich diesen Datenschatz heben und nutzbar machen, ohne dafür den Datenschutz aufgeben zu müssen.

Was bedeutet diese hohe Fördersumme für dich und dein Team?

Die Fördersumme erlaubt es mir, meine wissenschaftliche Vision mit Nachdruck anzugehen, in dem ich beispielsweise drei hochkarätige Nachwuchsforscher:innen anwerben kann, die sich einzig und allein der Forschung an meinem Projekt widmen können und nicht nebenbei lehren oder sich anderweitig engagieren müssen. Für mich bedeutet es außerdem, dass ich nicht mehr ganz so viele Drittmittelanträge stellen muss, wie bisher (lacht).

Nach nur rund drei Jahren als sogenannter Tenure-Track-Faculty bist du im Dezember 2021 Tenured Faculty geworden. Kannst du erklären, was genau das bedeutet?

Das bedeutet, dass mein Vertrag jetzt entfristet ist und ich mir endlich sicher sein kann, hier bleiben zu können. Jetzt kann ich mich auf die Suche nach einem Haus für mich und meine Familie machen. Ein Tenure-Track-Faculty ist ein leitender Wissenschaftler, der zunächst befristet eingestellt wird und sich eine gewisse Zeit lang bewähren muss. Diese Stellung entspricht am ehesten dem, was an der Uni ein W2-Professor ist, der Mitarbeiter hat, Leute betreuen und promovieren darf, aber keinen eigenen Lehrstuhl hat. Der Tenured Faculty ist am ehesten mit einem W3-Professor, also einem Lehrstuhlinhaber, an der Uni zu vergleichen. Wir sind aber ja keine Uni, daher habe ich auch keinen Professorentitel und auch nicht dieselben Rechte und Pflichten wie ein Uniprofessor. Allerdings gibt es die Möglichkeit, bei der Uni zu beantragen, zum Honorarprofessor ernannt zu werden und so den Titel tragen zu dürfen.

Wie wird man Tenured Faculty?

Je nach Vita kann man sich einfach direkt auf eine Tenure-Stelle bewerben. Nachwuchsforscher:innen bewerben sich allerdings meist auf eine Tenure-Track-Stelle. Man unterscheidet hier den „normalen“ Tenure-Track, der in der Regel fünf Jahre dauert, und den Fast Track, der nur drei Jahre Bewährungszeit voraussetzt.

Was ist der Unterschied zu einer Professur an der Uni und würde dich das noch reizen?

Ehrlicherweise nicht. An der Universität geht eine Professur zwar mit einigen Rechten, aber auch mit vielen Pflichten einher. Zum Beispiel ist die Zahl der Stunden, die man lehren muss, sehr hoch und es gibt außerdem einige eher administrative Aufgaben. Am CISPA kann ich mich hingegen ganz meiner Forschung widmen.

Die Cyberagentur hat den Auftrag zu ihrem ersten ausgeschriebenen Projekt an dich vergeben. Du leitest zusammen mit deinem früheren Doktorvater Prof. Jörn Müller-Quade vom KIT in Karlsruhe eine Machbarkeitsstudie zum Thema Encrypted Computing. Was wollt ihr in dieser Studie herausfinden?

Beim Encrypted Computing handelt es sich um Verfahren, mit denen Daten analysiert werden können, ohne sie vorher zu entschlüsseln. Besonders sensible und sicherheitskritische Informationen können so geheim bleiben und trotzdem verarbeitet werden. Als besonders vielversprechend gilt das Konzept der vollhomomorphen Verschlüsselung. Wir wollen herausfinden, wie praxisreif potenzielle Anwendungen schon sind, die dann künftig im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit eingesetzt werden können. 

Wovon träumst du noch als Forscher?

Ich habe in der Schublade noch eine ganze Liste von Problemen, die ich lösen will, oder besser gesagt: gelöst sehen möchte. Denn warum wird man Forscher? Weil es irgendwo in der Welt noch ein Problem gibt, das nervt. Einen Zustand, bei dem unser Wissen an seine Grenzen stößt. Diese zu erweitern, ist mein Antrieb. Da ist immer genug zu tun.