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2024-04-18
Annabelle Theobald

ELSA organisiert in London Workshop zur Wechselwirkung von generativer künstlicher Intelligenz und den kreativen Künsten

Das von CISPA-koordinierte Exzellenznetzwerk ELSA – European Lighthouse on Secure and Safe AI hat sich am 18. März in London getroffen. Am Nachmittag diskutierten bei einem öffentlichen ELSA-Workshop zum Thema „Generative AI and Creative Arts“ Kreative, Rechtsgelehrte und Wissenschaftler:innen die komplexe Dynamik von generativer künstlicher Intelligenz und Urheberrecht. Organisatoren waren das Alan Turing Institute sowie die Lancaster University und die University of Birmingham.

Die generative künstliche Intelligenz hat sich in den vergangenen zwei Jahren schneller entwickelt, als Regulierungsbestrebungen Schritt halten konnten. Der technologische Fortschritt wirft unter anderem urheberrechtliche Fragen auf, denn die Trainingsdaten von KI-Modellen umfassen auch künstlerische Werke. Nach europäischer Rechtsprechung kann derzeit niemand Urheber:in eines mit KI genierten Bildes, Films oder Stücks sein. Denn bislang gilt, dass Werke eine „eigene geistige Schöpfung“ eines Menschen sein müssen. Für Kreative und Kunstschaffende greift diese Antwort zu kurz, denn sie leben nicht zuletzt von den Lizenzgebühren ihrer Werke.

In London diskutierten diese und weitere Herausforderungen Lord Tim Clement-Jones CBE, Mitglied des britischen Oberhauses; Jeffrey Nachmanoff, amerikanischer Drehbuchautor von Blockbustern wie The Day after Tomorrow; Lilian Edwards, Professor of Law, Innovation & Society an der Newcastle University und Expertin für Internetrecht, sowie Matt Rogerson, Acting Chief Communications and Live Officer der Guardian Media Group. Den Workshop moderierte ELSA-Forscher Umang Bhatt, Assistant Professor und Faculty Fellow am Center for Data Science der New York University.

Politik und Gesetzgebung muss handeln

Lord Clement-Jones und Professor Edwards beleuchteten in ihren Beiträgen die Handlungsspielräume und -verpflichtungen von Politik und Gesetzgebung. Lord Clement-Jones betonte, wie wichtig es sei, die Lizenzfrage im Sinne der kreativen Berufe zu klären. Seiner Einschätzung nach gilt es, eine ausgewogene Regulierung zu finden, um eine Kluft zwischen den Kreativ-Branchen und der Tech-Branche zu vermeiden. Unabhängig von nationaler Gesetzgebung, so Lord Clement-Jones, könnte die Herausbildung internationaler Standards für die Nutzung von generativer KI letztendlich im Interesse aller Beteiligten sein. Eine Einigung auf gemeinsame Konventionen könnte einen tragfähigen Handlungsrahmen für Anbieter und Nutzer:innen auf einem internationalen Markt abstecken.

Professor Edwards zeigte sich in ihrem Beitrag optimistisch für das Erzielen einer angemessenen Copyright-Einigung. Sie verwies auf bereits ergriffene Initiativen, die die Herkunftsbestimmung von Werken erleichtern und den Weg für eine praktikable Lizenzvereinbarung ebnen könnten. Sie erwähnte dabei unter anderem die C2PA, die Coalition for Content Provenance and Authenticity. Diese Koalition aus Tech-Riesen wie Adobe, Intel und Microsoft entwickelt Technologien für die Bekämpfung von Desinformation und Inhaltsbetrug und hat im Februar 2024 einen offenen Industriestandard für die Kennzeichnung von Medien etabliert. Dieser macht es möglich, die Herkunft eines Bildes in den Metadaten zu kennzeichnen, findet jedoch (noch) keine Anwendung bei Texten oder Audiodateien.

Gefahr für Urheberschaft und Integrität

Einblick in die Sichtweise der kreativen Branche gaben Jeffrey Nachmanoff und Matt Rogerson. Drehbuchautor und Regisseur Nachmanoff erläuterte beispielsweise die Rolle, die der Einsatz KI-generierter Inhalte bei den Hollywood-Streiks spielte, in die 2023 sowohl Schauspieler:innen als auch Drehbuchautor:innen eingetreten waren. In diesem Kontext warf er die Frage auf, wie ein faires Vergütungsmodell für Kunstschaffende aussehen kann, deren intellektuelles Eigentum für das Training von Large-Language Modellen genutzt worden ist. Der Stil von einzelnen Autor:innen etwa werde durch generative KI auf eine Weise kopier- und reproduzierbar, die über das bekannte Maß an intertextuellen Referenzen hinausgeht.

Matt Rogerson unterstrich den Unterschied zwischen den künstlerischen und journalistischen Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Anders als in kreativen Kontexten gehe es im Journalismus immer um Fakten. Im Journalismus sei ein grundlegendes Problem, dass generative KI nicht zuverlässig faktenbasiert arbeite und Sachverhalte und Zusammenhänge erfinden könne. Um Klarheit für seine Leserschaft herzustellen, veröffentlichte der Guardian im Juni 2023 drei Grundprinzipien für seinen Umgang mit generativer KI. (https://www.theguardian.com/help/insideguardian/2023/jun/16/the-guardians-approach-to-generative-ai) Dort heißt es etwa, dass der Guardian generative KI nur einsetzen wird, „wenn sie die Qualität unserer Arbeit verbessern kann, beispielsweise wenn sie Journalisten dabei hilft, große Datenmengen auszuwerten.“

Bild ist nicht gleich Text

ELSA-Forscher Umang Bhatt, der den Workshop moderierte, zog am Ende des Nachmittags folgendes Fazit: „Wir haben wichtige rechtliche Fragen sowohl aus regulatorischer als auch aus politischer Sicht für den Einsatz generativer KI im Journalismus und im Film aufgeworfen.“ Er betonte die urheberrechtliche Unklarheit, in der sich Textautor:innen weiterhin befinden: „Jetzt brauchen wir dringend eine öffentliche Diskussion über die Lizenzierung kreativer Inhalte, insbesondere über die Lizenzierung von Bilddaten hinaus. Kreative, die im Bereich der schriftlichen Kunst arbeiten, werden im Stich gelassen.“