E-mail senden E-Mail Adresse kopieren

2025-09-02
Annabelle Theobald

Drei Monate Seoul: Forschung, Kultur und neue Perspektiven

K-Pop, K-Dramen und Kimchi – Südkorea ist bekannt für seine Pop- und Serienkultur sowie seine exquisite Küche. Im Rahmen ihrer Promotion hatte CISPA-Forscherin Carolyn Guthoff (links im Bild) die Gelegenheit, im Land der Morgenstille nicht nur ihre wissenschaftliche Arbeit zu vertiefen, sondern auch wertvolle interkulturelle Erfahrungen zu sammeln und neue Perspektiven auf internationale Forschung zu gewinnen. Im Interview berichtet sie von ihren Eindrücken, Herausforderungen und den Erkenntnissen, die sie aus dieser Zeit mitgenommen hat.

Hi Carolyn, drei Monate warst du zum Forschungsaustausch in Korea an der Seoul National University. Was war dein erster Eindruck, als du angekommen bist?

Ich hatte vor meiner Forschungsreise schon dreimal meinen Urlaub dort verbracht und habe mich sofort sehr wohl gefühlt. Korea ist sehr sicher und die Menschen sind sehr zuvorkommend. Außer auf der Straße, da geht jeder ziemlich zielstrebig seiner Wege und ich musste aufpassen nicht umgerannt zu werden (lacht). Aber daran habe ich mich schnell angepasst.

Wieso hast du dich für einen Forschungsaufenthalt in Südkorea entschieden?

Zunächst hatte ich gar keinen Bezug zu Südkorea. Eine Freundin schlug es während der Corona-Pandemie als Reiseziel vor. Während dieser Zeit bin ich zufällig über ein K-Drama auf Netflix gestolpert und habe eine Koreanerin auf einer Konferenz kennengelernt, mit der ich mittlerweile gut befreundet bin. So wuchs mein Interesse an der Kultur. Ich reiste über drei Jahre dreimal dorthin und begann Koreanisch zu lernen – eine tolle Sprache und das Schreibsystem ist sehr interessant!

Daraus entwickelte sich schließlich die Idee, auch wissenschaftlich dort zu arbeiten. Gemeinsam mit meiner Betreuerin Katharina Krombholz überlegte ich, welches Thema sich für eine Zusammenarbeit eignen würde. Ich stieß auf die Arbeit von Professor Joonhwan Lee an der Seoul National University, der sich mit einer früheren Doktorandin damit beschäftigt hat, wie man technisch Überlebenden von sexueller Gewalt helfen kann – ein Thema, das eng mit den aktuellen Forschungsinteressen von mir und meiner Betreuerin verbunden ist. Ich traf Joonhwan dann zufällig auf einer CHI-Konferenz und dieses Gespräch führte schließlich zu seiner Einladung nach Seoul.

Bevor wir über das Forschungsprojekt sprechen, würde mich noch interessieren, wie du den Aufenthalt finanziert hast und ob es irgendwelche Hürden bei der Einreise gab.

Ich erhielt ein DAAD-Stipendium für Doktorand:innen. Die Förderung richtet sich nach dem Zielland und beinhaltete eine Reisepauschale, monatliche Unterstützung sowie Zuschüsse für Unterkunft und Verpflegung. Gleichzeitig konnte ich während des Forschungsaufenthalts weiterhin vom Zentrum finanziert werden, da der Aufenthalt im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts zwischen CISPA und der Seoul National University stattfand. Deswegen wurde die monatliche Unterstützung des DAAD-Stipendiums etwas gekürzt.

Die Visumsfrage war anfangs etwas unklar. Es war nicht sofort ersichtlich, ob ich ein reguläres Visum brauchte oder mit der K-ETA – Südkoreas Äquivalent zum ESTA – einreisen könnte. Am Ende funktionierte alles problemlos sogar ohne K-ETA, weil das zum Zeitpunkt meiner Einreise für unter anderem deutsche Staatsbürger ausgesetzt war. Ganz sicher, ob ich nach Korea einreisen darf oder nicht, war ich aber erst, als ich tatsächlich im Land war (lacht).

Lass uns zu deiner Forschung kommen: Wie sieht dein gemeinsames Projekt mit der Gruppe von Joonhwan Lee aus?

Gemeinsam mit einer Forscherin vor Ort habe ich eine Studie entwickelt, die sich mit Sicherheitsmechanismen gegen sexuelle Risiken in Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messengern befasst – speziell für Jugendliche. Unser Ziel ist es, herauszufinden, welche Schutzmaßnahmen junge Menschen als notwendig erachten und welche Unterstützung sie sich wünschen.

Im Fokus stehen Phänomene wie Grooming oder Sextortion – also gezielte Manipulation oder Erpressung. Besonders gefährdet sind junge Menschen ohne stabilen sozialen Rückhalt. Aber auch Erwachsene profitieren von entsprechenden Sicherheitsfeatures. Deshalb fokussieren wir uns aktuell zwar auf Jugendliche, wollen aber Sicherheitsmechanismen entwickeln, die verschiedenen Altersgruppen gerecht werden.

Diese Probleme sind doch schon ganz lange bekannt. Warum passiert da immer noch so wenig?

Ein zentrales Problem ist, dass große Tech-Unternehmen meist nur das Nötigste umsetzen – Maßnahmen, die wirklich effektiven Schutz bieten, fehlen oft. Gleichzeitig ist es schwierig, die richtige Balance zwischen Schutz und individueller Freiheit zu finden.

Ein wichtiger Beweggrund für das gemeinsame Forschungsprojekt mit Korea war genau dieser Aspekt: In Deutschland herrscht eine starke Sensibilität für Datenschutz und Privatsphäre. In Südkorea ist man hingegen experimentierfreudiger, auch der Umgang mit Sexualität ist ein anderer. Diese kulturellen Gegensätze machen es spannend, Schutzkonzepte zu entwickeln, die in beiden Kontexten funktionieren.

Leider gibt es bislang kaum öffentlich zugängliche Forschung dazu – vieles bleibt in den Unternehmen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig international zusammenzuarbeiten. Unser Ziel ist es, über eine deutsch-koreanische Nutzendenstudie Daten zu erheben, auszuwerten und daraus effektive Schutzmechanismen abzuleiten.

Carolyn (1. von rechts) beim Essen mit der Forschungsgruppe von Professor Joonhwan Lee (3. von links).

Was hat dich im Alltag in Korea am meisten überrascht – vielleicht auch kulturell?

Die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. Ich habe dort viele interessante Gespräche zu Kultur und Erwartung an Gesellschaft und das Individuum geführt. Das war sehr bereichernd.

Wie war die Zusammenarbeit mit den koreanischen Kolleg:innen? Gab es überraschende Gemeinsamkeiten – oder auch Dinge, die ganz anders ablaufen?

Tatsächlich war die Zusammenarbeit dort ähnlich wie hier. Ich bin es von Katharina gewohnt, sehr eigenständig zu arbeiten. Das war dort auch so. Wir haben erstmal losgelegt und uns nur dann an Joonhwan gewandt, wenn wir nicht mehr weitergekommen sind. Am Ende hatten wir dann doch einige Meetings mit ihm. Ich hatte vorher gehört, dass die Koreaner:innen früh zur Arbeit kommen müssen und spät wieder gehen. Aber in meiner Gruppe konnten wir uns die Arbeitszeit so einteilen, wie wir es brauchten.

Interessant war, wie unterschiedlich die inhaltlichen Schwerpunkte sind: Während wir am CISPA eher im Bereich Usable Security und Privacy arbeiten, liegt der Fokus in seiner Gruppe auf Human Computer Interaction, KI und sogar künstlerischen Projekten – zum Beispiel Tanz in Verbindung mit KI. Der Hintergrund meiner koreanischen Forschungskolleg:innen war echt hilfreich, vor allem wenn es um Design-Fragen ging und ich habe viele neue Perspektiven gewonnen. Das Lab von Joonhwan ist sehr interaktiv und auch interdisziplinär, dort sind nicht nur Informatiker:innen, sondern Menschen mit sehr verschiedenen Hintergründen beschäftigt.

Würdest du so einen Austausch als Karrierebaustein von Nachwuchsforschenden empfehlen – und wenn ja, in welcher Promotionsphase?

Auf jeden Fall. Wenn es finanziell und organisatorisch machbar ist, sollte jede:r diese Auslandserfahrung in der Wissenschaft machen. Drei Monate sind überschaubar – lang genug für ein gemeinsames Forschungsprojekt, aber kurz genug, um die Wohnung daheim zu behalten. Das senkt die Hürde. Und: Solche Aufenthalte stärken nicht nur die eigene Forschung, sondern auch die Kooperation der Institute.

Ich bin im letzten Jahr meiner Promotion und fand das Timing ideal. Am Anfang wäre es vielleicht schwerer gewesen, ein eigenes Projekt aufzubauen. Aber grundsätzlich ist es in jeder Phase eine bereichernde Erfahrung.