Ein sicherer Weg für Digitalwährung von Zentralbanken
Spätestens als im Sommer 2019 das Unternehmen Meta Platforms – damals noch Facebook Ink. – verlauten ließ, mit Libra eine eigene Kryptowährung auflegen zu wollen, war klar, dass Digitalwährungen kein vorübergehender Trend sind. Das Projekt Libra ist inzwischen zwar eingestellt, die Zentralbanken weltweit legen aber gerade erst richtig los. So hat etwa die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober 2021 den Startschuss für ein auf zwei Jahre angelegtes Projekt zum „digitalen Euro“ gegeben. Darin wird geprüft, wie dieser aussehen und dem Handel sowie Privatpersonen zugänglich gemacht werden könnte. „Hauptmotivation ist, Menschen den Zugang zu Zentralbank-Geld auch digital zu ermöglichen“, erklärt Karl Wüst.
Das Geld, das bislang schon elektronisch hin und her geht, ist kein Zentralbank-Geld, sondern sogenanntes Giralgeld. Verbraucher:innen haben darauf keinen direkten Zugriff. Transaktionen müssen immer über eine Bank oder ein Kreditinstitut abgewickelt werden. Das birgt laut Wüst zum einen das Risiko, dass das Geld bei einer Bankenpleite weg sein könnte. „Zum anderen haben die Banken und Kreditinstitute tiefe Einblicke, wer, wem, wann, wo, wieviel Geld sendet. Sogenannte central bank digital currencies (CBDC), zu denen der digitale Euro gehört, können viel mehr Privatsphäre bieten und die Menschen haben auf dieses Geld direkten Zugriff. Es ist wie Bargeld in digitaler Form“, erklärt Wüst.
CBDCs müssen einige Anforderungen erfüllen, um als sicheres Zahlungsmittel fungieren zu können. So müssen sie Privatsphäre garantieren können, robust gegen Angriffe sein und sowohl skalier- als auch regulierbar sein. Wie sich diese Anforderungen in ein System gießen lassen, ist Wüsts aktuelles Forschungsthema. „Die meisten neueren Forschungsarbeiten zu CBDCs konzentrieren sich auf Blockchain-Technologie. Dabei ist nicht klar, ob das die optimale Lösung ist.“
Für Wüsts Ansatz, genannt „Platypus“, spielen deshalb auch sogenannte E-Cash-Systeme eine Rolle. Die kamen bereits in den 1980er-Jahren auf und stellten die erste Art zumindest teilweise anonymer Digitalwährung dar. Im E-Cash-Verfahren geben Banken gegen Bank-Guthaben elektronische Münzen mit einer verschlüsselten Seriennummer aus, die als Dateien auf dem Rechner der Nutzer:innen abgelegt werden. Bei einem Kaufvorgang werden die entsprechenden Dateien an die Verkäufer:innen geschickt und die Seriennummern freigelegt. So können sie die Gültigkeit der Münzen prüfen. Die Verkäufer:innen können die Münzen bei der Bank wieder gegen Bar- oder Giralgeld eintauschen. Anonym bleibt im E-Cash-Verfahren damit also nur ein Teil der Transaktion. Da jede Münze einzeln ausgegeben wird, erhöht sich zudem mit jeder Münze auch das Transaktionsvolumen, also der Datenaufwand. Damit haben auch blockchainbasierte Systeme zu kämpfen. Bislang kann deshalb nur eine vergleichsweise geringe Anzahl von Transaktionen pro Sekunde verarbeitet werden.
Blockchain-Lösungen seien trotzdem begehrt, weil sie sehr robust gegen Angriffe sind, sagt der Forscher. „Wenn man aber eine vertrauenswürdige zentrale Stelle wie in diesem Fall eine Zentralbank hat, lässt sich die Sicherheit auch durch den Einsatz spezieller Sicherheitsprotokolle garantieren.“ Einen Vorteil bieten blockchainbasierte Ansätze aber dennoch: statt münz- sind sie meist kontobasiert. Das hat Wüst für Platypus übernommen, denn damit ist die Größe einer Transaktion unabhängig von ihrem Wert und die Gelder werden sofort auf dem verdeckten Konto des Empfängers eingezahlt. „Damit sind die Anonymität des Absenders und des Empfängers garantiert sowie die Vertraulichkeit des Transaktions-Wertes. Außerdem lassen sich Transaktionen nicht miteinander verknüpfen. Platypus kombiniert so die Vorteile von E-Cash-Systeme mit denen blockchainbasierter Kryptowährungen“, sagt Wüst.
Karl Wüst ist gebürtiger Münchner und lebt seit einiger Zeit in Saarbrücken und der Schweiz. Seine Promotion hat er an der ETH Zürich abgeschlossen. Der 31-Jährige beschäftigt sich neben Digitalwährungen auch mit sogenannten Smart-Contract-Systemen. Das sind digitale Verträge, die auf Blockchain-Technologie basieren. Am CISPA wird er seine Forschung zu beiden und weiteren Themen weiter vorantreiben. „Die Arbeit am CISPA hat mich besonders gereizt, weil die Forschung hier weltweit spitze ist. In Europa findet man nur sehr wenige Institutionen, die Forschung auf diesem Niveau betreiben.“